SV Babelsberg kooperiert mit Lonsdale

Märkische Allgemeine Zeitung (20.02.2014)

Der SV Babelsberg 03 kooperiert ab sofort mit dem Sportartikelhersteller Lonsdale. Das Unternehmen kostenfrei Textilien aus dem Sortiment zur Verfügung gestellt, die der Fußballverein verkaufen kann. Bei den Babelsberger Fans kommt die Kooperation gut an, viele würden die Marke, der lange ein rechtes Image anhaftete, sogar gerne als Trikotsponsor sehen. 

Potsdam. Der SV Babelsberg 03 hat am Mittwoch eine Kooperation mit dem Sportartikelhersteller Lonsdale bekannt gegeben. Der Potsdamer Fußballverein freue sich „außerordentlich“, als erster Fußballverein Deutschlands mit Lonsdale zusammenzuarbeiten, ließ der Verein mitteilen.

Der Deal: Lonsdale stellt kostenfrei Textilien aus seinem Sortiment zur Verfügung, die der Verein verkaufen kann. Mit einem Teil des Erlöses soll unter anderem der SVB-Partnerverein „Mantua 62“ auf Kuba unterstützt werden. Lonsdale wird im Gegenzug im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion für sich werben.

Das 1960 als Ausrüster für den Boxsport in London gegründete Modelabel wurde in den 1990er-Jahren von Neonazis vereinnahmt. Die zufällig im Markennamen enthaltene und unter geöffneten Jacken sichtbare Buchstabenfolge „NSDA“, was als Anspielung auf die in Deutschland verbotene „NSDAP“ umgedeutet werden konnte, machte Lonsdale in der Szene beliebt. Das Unternehmen wehrte sich in der Folge offensiv dagegen, als Erkennungszeichen von Skinheads instrumentalisiert zu werden. Mit der Kampagne „Lonsdale loves all colours“ warb es bewusst mit Models unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Babelsberg betonte in seiner Pressemitteilung, dass die beiden Unternehmen eine gemeinsame Wertvorstellung in Bezug auf Gleichberechtigung, Toleranz und Integration verbindet.

Seit 2011 sponsort Lonsdale bereits die Boxabteilung des FC St. Pauli.

Im Internet stieß die Kooperation auf viel Unterstützung. Die Fans leisteten dabei viel Aufklärungsarbeit bei Personen, die die Marke offenbar noch immer in der rechten Szene verorten: „Seit wann lässt man sich Marken von Nazis wegnehmen?“, fragt ein Facebook-Fan. Andere Unterstützer schlagen sogar vor, das Modelabel als Trikotsponsoren einzusetzen.



Wie „LoNSDAle“ sein Nazi-Problem löst

Handelsblatt (27.03.2014)

Das Beispiel des Sportartikelherstellers Lonsdale zeigt, wie leicht es ist, ein rechtes Image zu bekommen und wie schwer es in der Online-Welt ist, es wieder abzuschütteln. Doch der Wandel kann gelingen.

Das Verhängnis von Lonsdale liegt im Namen. Genau genommen in den vier Buchstaben in der Mitte. Die sollen der Grund dafür sein, dass der britische Sportartikelhersteller in den 1990er Jahren plötzlich großen Zuspruch bei Neonazis erhielt. Denn die trugen über ihren Lonsdale-Shirts gerne eine Bomberjacke, sodass lediglich die Buchstaben „NSDA“ zu sehen waren – in der rechten Szene eine Anspielung auf die nationalsozialistische NSDAP. Seitdem hat die britische Firma mit einem braunen Image zu kämpfen.

Wie Lonsdale ist es auch anderen Marken ergangen. Firmen wie New Balance, Fred Perry oder Dr. Martens hatten ebenfalls bereits Probleme mit einem politisch aufgeladenen Image.

Und wenn man einmal in die rechte Ecke gedrängt wurde, ist der Weg von rechts nach links steinig. Das Internet macht es den Firmen noch schwerer: Suchmaschinen wie Google machen sich nichts aus Zeit und Datum. So auch bei Lonsdale: Bei den Suchergebnissen kramen sie immer mal wieder Bilder von Neonazis in Lonsdale-Kleidung heraus – auch, wenn die Fotos schon 20 Jahre alt sind.

Der britische Sportartikelhersteller gilt bei vielen auch deswegen nach wie vor als Nazi-Marke. Zwar geht das Bekleidungsunternehmen seit Jahren gegen dieses Vorurteil vor. Doch der Erfolg ist noch gering. Zwei neue Kooperationen sollen das nun ändern: Die Marke will künftig zwei neue Fußballvereine ausrüsten. Und zwar zwei kleine, linksorientierte Fußballvereine: den SV Babelsberg 03 und Roter Stern Leipzig.

Bereits seit rund 15 Jahren kämpft Lonsdale gegen sein rechtes Image an. Es dauerte bis Ende der 90er, bevor sich die Firma des Problems mit der neuen Klientel annahm. Mit der Kampagne „Lonsdale loves all colours“ im Jahr 2004 unternahm das Unternehmen einen beherzten Versuch, das Ruder herumzureißen. Ein Jahr später sponserte Lonsdale den Christopher Street Day und engagierte sich für die Kampagne „Laut gegen Nazis“. Zudem stoppte der britische Kleidungshersteller die Lieferung an Läden der rechten Szene.

Die Maßnahmen zeigten Wirkung. In Sachsen brach der Umsatz zeitweise um bis zu 75 Prozent ein, deutschlandweit waren es gut 35 Prozent. Auf diesen Umsatz verzichte man gerne, heißt es vom Unternehmen. Und von der „ökonomischen Talsohle“ habe man sich inzwischen auch ein wenig erholt. Bis die Marke wieder die alten Umsätze erreicht, wird es aber wohl noch eine Weile dauern.

Steve Jobs als Markenbotschafter

Die Zahlen zeigen, dass auch 2014 der Wandel noch nicht komplett vollzogen ist. Mit seinen neuen Deals im Fußball will Lonsdale nun erneut ein Zeichen setzen. Denn trotz des „Wissens um das Engagement“ gebe es derzeit noch eine „gewisse emotionale Barriere, die Marke zu tragen“, räumt Lonsdale in Deutschland ein. In breiten Teilen der Gesellschaft sei der Imagewandel zwar bekannt. „Das Problem ist, dass das Wissen eben eine rationale Sache ist, die Kaufentscheidung jedoch emotional bestimmt ist“, sagt ein Sprecher.

Anders sehe es bei denjenigen aus, die sich „aus sportlichen, subkulturellen oder politischen Gründen“ intensiv mit der Markengeschichte befasst hätten. „Hier spüren wir die geringsten Berührungsängste. Weder beim SV Babelsberg noch beim Roten Stern Leipzig war Überzeugungsarbeit zu leisten.“

Wie ein Imagewandel funktionieren kann, lässt sich am Beispiel der Marke New Balance erzählen. Die Schuhe des US-Herstellers zeichnen sich durch ein „N“ aus. Rechtsextreme gaben diesem Buchstaben die Bedeutung „National“ oder auch „Nationalsozialistisch“. Schnell hatte eine eigentlich unpolitische Marke einen braunen Anstrich. Wie auch andere Konzerne reagierte der US-Hersteller zunächst nicht. Erst 2002, als die „Bild“ ein großflächiges Foto eines Glatzköpfigen in New-Balance-Schuhen druckte, dachte das Unternehmen um.

Auch New Balance nahm seine Produkte aus den Regalen der Geschäfte der rechten Szene. Der Konzern engagierte zudem den dunkelhäutigen MTV-Moderator Patrice Bouédibéla als Markenbotschafter. Zu Hilfe kam auch ein eher zufälliger Träger des Schuhwerks: Als Apple mit dem iPod und dem iPhone groß wurde, gab es kaum eine Veranstaltung, auf der Steve Jobs nicht mit seinen New-Balance-Schuhen aufkreuzte. Das erklärt wohl auch, warum die Marke heutzutage von Hipstern statt Neonazis getragen wird.

Dass Modemarken überhaupt ein braunes Image bekommen, liegt auch an der Art, wie sie mit den ersten Problemen dieser Art umgehen. Viele Konzerne ignorieren das Thema erstmal, weil eine Positionierung – egal in welche Richtung – auch förderlich sein kann. „Menschen, die einen nicht mögen, sind ein Treibstoff“, erklärt Klaus-Dieter Koch, Geschäftsführer der Managementberatung Brand Trust. Manche nehmen die steigenden Umsatzerlöse daher zunächst einmal gerne mit. Deshalb seien die Marken an ihrer jeweiligen Politisierung auch nicht ganz unschuldig, so Koch.

Abgeschreckte Kunden

Probleme bekommen die Marken, wenn die Politisierung zu stark in die Öffentlichkeit dringt – eben durch Fotos oder Fernsehausschnitte. Denn das schreckt den normalen Kunden ab. Eine rechte Orientierung ist im Gegensatz zu einer linken stärker vorbelastet in Deutschland.

Ähnliche Erfahrungen wie Lonsdale und New Balance hat auch Fred Perry gemacht. Bei der britischen Modemarke gefiel den Neonazis der Lorbeerkranz und die teils rot-weiß-schwarzen Kragen der Poloshirts – die Farben des Dritten Reichs. Was vielen in der Szene offenbar nicht bekannt war: Der Tennisspieler Fred Perry, nach dem die Marke benannt ist, war Jude. Der Hersteller distanzierte sich dementsprechend von dem rechten Image und unterstützt antirassistische Aktionen. Trotzdem vertreibt er seine Marke weiterhin auch über den neonazistischen Versandhandel.

Allerdings gibt es eine Grenze zwischen einer politisierten Marke und Marken, die von vornherein Politik machen wollen. So ist die bei Rechtsextremen beliebte Marke Thor Steinar etwa auch in der Szene gegründet worden – ähnlich wie Consdaple oder Troublemaker. Zudem werden sie hauptsächlich in dieser Szene getragen. Für Simone Rafael, verantwortlich für die Webseite „Netz gegen Nazis“ der Amadeu Antonio Stiftung, gibt es einen Unterschied, ob eine Marke ausschließlich in der Neonaziszene oder auch in anderen Subkulturen getragen wird.

Auf Anfrage distanziert sich Thor Steinar von „politischem Extremismus“. Die Marke würde nicht nur von der rechten Szene, sondern auch von anderen getragen. Anders ließe sich ein so großer Kundenkreis nicht erklären. Zudem prüfe man nicht die „Gesinnung“ seiner Kunden, so Thor Steinar. In der breiten Öffentlichkeit wird das Bild des Herstellers anders gesehen. Sowohl im Bundestag als auch im einigen Landtagen ist das Tragen der Marke verboten.

Prävention ist besser als Nachsorge 

Auch Lonsdale und Fred Perry waren bereits von Verboten betroffen, die aber inzwischen zurückgenommen wurden – weil sich die Marken von rechtem Gedankengut distanziert haben. Noch besser, als dies im Nachhinein zu machen, wenn der Name schon in rechtsextremen Zusammenhängen auftritt, ist die Prävention.

Rafael von „Netz gegen Nazis“ empfiehlt Unternehmen deshalb, sich offensiv zu positionieren, um die rechte Ecke von Anfang an zu meiden. Alles andere wird teuer: Ein wirksamer Imagewandel funktioniere nur, wenn die Öffentlichkeit auch etwas davon mitbekommt – und das koste Geld, meint Marketingexperte Dominic Multerer.

Lonsdale hat einen fünfstelligen Betrag in das Engagement bei Babelsberg investiert – auf Anfrage des Vereins. Unter Linken ist Lonsdale inzwischen wieder salonfähig, auch wegen der klaren Haltung gegen Nazis. Auch bei Babelsberg gab es nach Angaben des Vereins kaum Gegenstimmen gegen den neuen Ausrüster.

Nach Meinung des Marketingexperten Multerer reicht das Engagement des britischen Sportartikelherstellers aber noch nicht. Er argumentiert, dass die Marke sehr öffentlichkeitswirksam mit Nazis in Verbindung gebracht wurde – und genau so öffentlichkeitswirksam zurückschlagen müsse. „Wenn meine Marke groß in der Tagesschau auf dem Rücken von Hooligans gezeigt wurde, dann reicht es nicht, einen kleinen Verein wie den SV Babelsberg sponsern. Ich muss mindestens genauso stark sichtbar sein, wie die Negativ-Schlagzeilen, welche mich überkommen, um standhalten zu können“, sagt Multerer.



Neues Image für Lonsdale: Wie man eine Marke entnazifiziert

Werben & Verkaufen (27.03.2014)

„Wo Lonsdale drin ist bleibe ich draußen. Punkt.“ So reagierte ein Fan des SV Babelsberg 03, als der politisch linke Regionalligaverein kürzlich auf seiner Facebookseite die Sponsoringpartnerschaft mit der britischen Marke bekanntgab. „Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall“ wirbt die in den Neunzigern von Neonazis besetzte Marke nun auf der Bande im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion und stellt dem Verein T-Shirts zur Verfügung – für zunächst ein Jahr.

Nur wenige in der linken Szene empören sich darüber noch so wie dieser Fan. Längst überwiegt eine Haltung, die ein Fan stellvertretend für viele so ausdrückt: „Seit wann lässt man sich Marken von Nazis wegnehmen?“ Linke Aktivisten und schwule Subkulturen haben vor Jahren schon begonnen, Lonsdale zu tragen, um den Rechten den Spaß an der Marke zu verderben. Sie sollte wieder mit den kulturellen Codes aus ihren Anfängen in den 60er Jahren aufgeladen werden – als sie im Boxsport (Muhammad Ali) oder als coole Klamotte in multikulturellen Musikszenen wie Ska (Laurel Aitken) oder Northern Soul verankert war. Die meisten begrüßen also diese Partnerschaft.

Die Reaktion des Fans zeigt aber, wie sehr die einstige Vereinnahmung die Neonazi-Szene immer noch an der Marke klebt. Dabei wehrt sich Guert Schotsmann, Geschäftsführer des deutschen Lizenznehmers Punch GmbH, Neuss, schon seit Ende der 90er Jahre aktiv dagegen: Er stoppte die Belieferung rechtsradikaler Onlineshops, launchte die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ , sponserte den Kölner Christopher Street Day, unterstützt seit 2005 den Verein „Laut gegen Nazis“, ist Partner der Boxabteilung des FC St.Pauli. Neben SV Babelsberg 03 sponsert Lonsdale auch den linken Verein Roter Stern Leipzig.

Doch: „Die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke erweist sich noch als hartnäckig“, sagt Schotsmann im Interview mit W&V-Online (siehe unten). Immerhin: Die Nazis betrachteten Lonsdale nicht mehr als „ihre“ Marke. Darüber, welche Kunden Lonsdale kaufen, weiß das Unternehmen allerdings nichts Genaues. Die Umsatzverluste von 35 Prozent (Sachsen: 75 Prozent) im Jahr der Händlerbereinigung hat Lonsdale Deutschland längst aufgefangen. 2013 wurden im Einzelhandel zwischen 12,5 und 15 Millionen Euro umgesetzt, schätzt Schotsmann. Doch der Weg zum Mainstream ist noch weit: Auf einer „breiteren Basis“ gebe es noch eine „emotionale Barriere, die Sachen zu tragen“.

Das Sponsoring der linken Fußballclubs Roter Stern Leipzig und SV Babelsberg 03 ist Schotmanns bislang größter Coup. Es brachte ein Presseecho, dessen Mediawert die Marke nicht mit Geld hätte einkaufen können. Für Jürgen Häusler, Markenexperte und Chairman von Interbrand, hat Lonsdale alles richtig gemacht: „Die Marke schafft es seit über 50 Jahren in Subkulturen lebendig zu bleiben, zuletzt in der linken Szene. In der Nische hat sie sogar das Potenzial zur Mythenbildung.“

Im Interview mit W&V Online gibt Guert Schotsmann Auskunft, wo die Marke heute steht:

Herr Schotsmann, seit Jahren versucht Lonsdale, sich vom Image der „Nazimarke“ zu befreien, jetzt auch als Sponsor von linken Fußballvereinen. Wenn der angestrebte Imagewandel ein Marathonlauf ist, wo befinden Sie sich jetzt?

Etwa bei Kilometer 30. Der größte Teil der Strecke ist geschafft, das Ziel aber noch nicht erreicht. Erreicht haben wir inzwischen, dass Neonazis Lonsdale nicht mehr  als „ihre“ Marke betrachten. Das wurde auch in der Öffentlichkeit mit Sympathie wahrgenommen. Nun geht es darum, aus der politischen Sympathie eine emotionale Sympathie zu machen. Wir hoffen, dass man irgendwann nicht nur unsere Haltung gegen Rechts und Rassismus gut findet, sondern auch auf breiterer Basis Lust bekommt, unsere Sachen zu tragen.

Die Assoziation Marke mit dem Neonazimilieu ist allerdings noch nicht überwunden.

Es stimmt, dass die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke sich noch als hartnäckig erweist. Da gibt es oft eine emotionale Barriere. Das ist allerdings dort anders, wo Menschen näher mit den politischen, subkulturellen oder sportlichen Wurzeln der Marke vertraut sind.

Der Imageschaden ist das eine. Gab es denn einen überhaupt nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden für die Marke?

Ein Imageschaden geht  bei einer Traditionsmarke immer mit einem ein nachhaltiger wirtschaftlichen Schaden einher. Trotz der damals noch weitgehend unklaren lizenzrechtlichen Situation haben wir Ende der 90er Jahre Händlerlisten nach unerwünschten Kunden durchsucht und uns von ihnen getrennt. Der Umsatzverlust war deutlich spürbar: Der Gesamtumsatz von Lonsdale in Deutschland ging um etwa 35 Prozent zurück. Einige Teile Sachsens erwiesen sich dabei als Hochburgen: Hier reduzierte sich der Umsatz sogar um bis zu 75 Prozent. Seitdem haben sich die Umsätze mit der Marke Lonsdale in kleinen, aber kontinuierlichen Schritten erholt. Der Einzelhandel hat 2013 mit der Marke schätzungsweise 12,5 bis 15 Millionen Euro Umsatz beim Endverbraucher erzielt. Bei der Bekanntheit der Marke dürfte da allerdings noch Luft nach oben sein.

In einer Schulbroschüre heißt es, die rechte Szene habe mit Genugtuung wahrgenommen, dass das Problem der Trageverbote der Marke an Schulen obsolet geworden sei, dank des antifaschistischen Werbefeldzugs. Muss die Marke weiter mit Käufern aus der rechten Szene leben?

Die Broschüre stammt aus den frühen 2000er Jahren. Kann sein, dass damals irgendwo ein Neonazi noch gedacht hat, dass wir ihm durch antirassistische Arbeit das Problem des Markenverbots aus dem Weg räumen. Repräsentativer für die Reaktion des Milieus dürften die hörbaren Boykottaufrufe gewesen sein. Die Neonazis haben dann ja auch aus der ihrer Szene heraus eigene Marken gegründet. Lonsdale muss mittlerweile vermutlich auch nicht mehr als andere Marken mit Käufern aus der rechten Szene leben. In der Vergangenheit hätten wir uns schon manches Mal gewünscht, in einigen Kleiderschränken aufräumen zu können. Das geht natürlich nicht, und so haben wir den Hebel woanders angesetzt und die Marke seit vielen Jahren eindeutig so positioniert, dass Neonazis keine Lust mehr auf sie haben.

Lonsdale trennte sich erst etwa zehn Jahre nach der Vereinnahmung durch Neonazis von Händlern der rechten Szene. Hat die Marke möglicherweise zu spät mit seinen Gegenmaßnahmen begonnen?

Wir hätten gerne früher damit begonnen. Aber die lizenzrechtliche Lage war in den 1990er Jahren mehr als verworren. Lonsdale wurde in dieser Zeit über mehrere parallele Lizenzen und mehrere parallele Vertriebsstrukturen vertrieben. Das machte eine einheitliche Positionierung der Marke damals unmöglich. In dieser Zeit konnte sich faktisch jeder Lonsdale als Handelsware beschaffen. Die Situation besserte sich erst 2002, als Sports Direct (eine englische Sporthandelskette/d.Red.) die Markenrechte erwarb.

Die „Nazi-Vergangenheit“ holt die Marke immer wieder ein: Quelle wollte Lonsdale 2006 aus dem Sortiment nehmen, der Berliner Polizeipräsident 2009  das Tragen bei Zivilpolizisten verbieten. Hat die Marke das Potenzial irgendwann einmal  im Mainstream anzukommen?

Beide Aktionen traten einen Proteststurm los. Quelle und der Berliner Polizeipräsident nahmen  ihre Entscheidung daraufhin  sehr schnell zurück. Protestiert haben vor allem Personen und Initiativen aus der antirassistischen Arbeit. Wer um die sportlichen, subkulturellen und politischen Hintergründe der Marke weiß, der konnte Lonsdale schon immer verteidigen – und auch tragen. Dass wir solche Fürsprecher hatten, hat uns gezeigt, wo diese Marke verwurzelt ist. Das achten wir, das gehört zum Markenerbe und zum Markenwert. Das schließt natürlich nicht aus, dass Lonsdale irgendwann einmal  auch von breiteren Kreisen getragen werden kann. Die Reaktionen auf unsere jüngsten Kooperationen mit dem SV Babelsberg 03 und dem Roten Stern Leipzig haben jedenfalls gezeigt, dass viele die Marke nun als kreativen Akteur wahrnehmen, nicht als defensiven Erklärer einer misslichen Lage.

Die Szene hat Sie verstanden. Doch welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung um den Imagewandel weiter zu beschleunigen, etwa durch vermehrte Sponsoringaktivitäten?

Die Größe der Marke wird gelegentlich überschätzt. Der bekannte Markenname suggeriert höhere Erlöse als derzeit realisiert werden. Unser Sponsoringetat ist daher  begrenzt. In der Regel gilt nämlich, dass jeder Lizenznehmer sein Budget selbst generieren soll. Das zwingt uns zur Kreativität. So entstehen Ideen wie der multifunktionale Kleinbus für den Roten Stern Leipzig, der als Mannschaftsbus, Stadionlautsprecher und Lautsprecherwagen bei antirassistischen Demos gleichermaßen eingesetzt werden soll. So etwas geht nicht mit dem Scheckheft allein. Allerdings bekommen wir derzeit viele Anfragen für Partnerschaften, darunter durchaus namhafte Fußballvereine. Wir finden das alles im Moment sehr spannend

Interessierte sich der britische Markeninhaber Sports Direct für das Imageproblem in Deutschland und gibt es finanzielle Unterstützung?

Als Sports Direct 2002 die Markenrechte erwarb, gab es überhaupt erst einmal einen Ansprechpartner. In England weiß man inzwischen natürlich um die besonderen Probleme der Marke in Deutschland, die von uns oftmals auch besondere Maßnahmen verlangen. Hier haben wir markenstrategisch viel Rückhalt. Finanzielle Unterstützungen müsste man im Einzelfall besprechen, sie sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.



Lonsdale sponsert linke Klubs

fanzeit (21.03.2014)

Der Sportartikelhersteller Lonsdale London wird von manch einem noch immer mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht. Nun engagiert sich die Marke als Sponsor bei antirassistischen Klubs in Deutschland. Kann das funktionieren?

Zuweilen wird der Regionalligist SV Babelsberg 03 als “FC St. Pauli des Ostens” bezeichnet: Die Fanszene des Vereins ist stark von der Subkultur geprägt und gilt als überwiegend links, seit 20 Jahren gibt es ein antirassistisches Stadion-Fest und die Mannschaft spielt im Karl-Liebknecht-Stadion, das nach nach dem prominenten Marxisten und Mitstreiter Rosa Luxemburgs benannt ist. Vergangene Woche wurde nun bekannt, dass der Viertligist eine Kooperation mit der Sportmarke Lonsdale London eingegangen ist. Lonsdale? Ist das nicht diese Nazi-Marke? Und die sponsorn jetzt einen linken Fußballverein?

Um zu erfahren, warum Lonsdale überhaupt mit Rechtsextremisten in Verbindung gebracht wird, lohnt es sich, die Markengeschichte genauer zu betrachten: Gegründet 1960 als Boxsportartikelfirma in London, gewann Lonsdale in der damals noch jungen und unpolitischen, eher multikulturell geprägten Skinheadszene schnell an Beliebtheit. Später kam es dann zu einer teilweisen aber sehr öffentlichkeitswirksamen Vereinnahmung der Szene durch Rechtsextremisten. Das äußere Erscheinungsbild und darunter eben auch die Auswahl der Kleidungsmarken blieb jedoch erhalten. In Deutschland kam noch hinzu, dass unter geöffneten Bomberjacken häufig nur noch die Buchstaben “NSDA” zu sehen waren, womit Rechte offen und ungestraft mit der “NSDAP” kokettieren konnten. Um dieser ungewollten Vereinnahmung von rechts entgegenzuwirken, hat Lonsdale Anfang der 90er Jahre allen auffindbaren rechtsextremen Händlern die Zusammenarbeit gekündigt. Darüber hinaus engagiert sich die Marke bei antirassistischen Projekten, wie “Laut gegen Nazis” und sponsorte 2005 sogar den Christopher-Street-Day in Köln.

“Lonsdale und Babelsberg sind sich sehr ähnlich”

Dieses Engagement war es auch, das den Verein auf die Idee brachte, bei Lonsdale für eine Partnerschaft anzufragen. Laut Marcel Moldenhauer, Pressesprecher des Regionalligisten, sind sich Lonsdale und Babelsberg ”von der inhaltlichen Ausrichtung vor allem was die Arbeit in Richtung Antirassismus angeht, sehr ähnlich.” So lautet der Slogan mit dem Lonsdale ab sofort im Zuge der Zusammenarbeit im Karl-Liebknecht-Stadion auf einer Bande wirbt: “Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall.” Im Gegenzug erhält der Verein Textilien, die zurzeit noch gestaltet werden zum freien Verkauf. Weiterer Nutznießer der Kooperation ist der kubanische Fußballverein Mantua 62, der schon seit einigen Jahren von den Anhängern des Regionalligisten gefördert wird und dem nun ein Teil der Einnahmen zufließen soll.

Babelsberg, St. Pauli, Roter Stern Leipzig

Der erwartete Gewinn durch das Sponsoring liegt nach Vereinsangaben im fünfstelligen Bereich. Doch wenn es nach den Initiatoren geht, ist dies ohnehin nur der Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit wie Geurt Schotsman, Geschäftsführer der Punch-Gmbh, Lizenznehmerin von Lonsdale London in Deutschland, betont: “Wir sind offen für kreative Ideen. Wir wollen aber nicht zu schnell voranschreiten, sondern die Zusammenarbeit Schritt für Schritt  intensivieren, etwa im Merchandising-Bereich.” Eine generelle Ausweitung des Sponsorings im deutschen Fußball scheint hingegen derzeit nicht zur Debatte zu stehen: “Erstmal wollen wir uns auf den Teil des Fußballs konzentrieren, der deutlich antirassistisch ist”, sagt Schotsman. So sponsort das Unternehmen neben der Boxabteilung des FC St. Pauli seit kurzem auch den antifaschistische Leipziger Stadtligisten Roter Stern Leipzig. Zusätzlich zur Trikotwerbung ist auch ein von Lonsdale gestellter Kleinbus Gegenstand der Partnerschaft, der ausdrücklich auch als Lautsprecherwagen bei Demonstrationen eingesetzt werden darf. Während Lonsdale in England auch bereits als offizieller Ausrüster von Fußballmannschaften aufgetreten ist, ist dies in Babelsberg zumindest momentan offenbar kein Thema, da der Verein noch zwei Jahre an den aktuellen Ausrüster Hummel gebunden ist.

“Sicher sind wir Lonsdale bei der Imagebildung behilflich”

Die Verantwortlichen in Babelsberg empfinden die Kooperation als Win-win-Situation. “Bei uns ist seit vielen Jahren die Subkultur im Stadion beheimatet und so ist es ja bei Lonsdale auch. Am Ende sind wir Lonsdale in puncto Imagebildung sicherlich behilflich, es ist aber auch genauso andersherum: Wir finden unser Zielpublikum über Lonsdale deutschlandweit”, sagt Moldenhauer. Doch wie sehen die Fans den neuen Sponsor?

Im Internet überwiegen die positiven Reaktionen. Einige wünschen sich sogar Lonsdale als Hauptsponsor. Jedoch gibt es auch einige kritische Stimmen. User ruuud_van_da_maiklokjes merkt etwa im unabhängigen SV-Babelsberg-03-Fanforum an: “Sorry Leute, zehn Jahre liefen die größten Vollspacken mit Lonsdale rum, und nu is wieder alles gut? Für mich wäre da eine Umfirmierung angezeigt gewesen.” Und dass die Marke Lonsdale bei manch einem noch immer in der rechten Ecke steht, zeigt folgender facebook-Kommentar von Htebasile Airam Einahpets: “Ein, wie ich bisher immer dachte, eher linker Verein, der eine Partnerschaft mit der Lieblings-Nazifirma eingeht?! Hmm… fragwürdig.”



Lonsdale sponsort Fußballverein Roter Stern Leipzig

derStandard.at (12.03.2014)

Leipziger Fußballverein vertritt dezidiert antirassistische Position – Lonsdale wurde in den 1990er-Jahren von Neonazis missbraucht.

Leipzig – Der englische Boxsportausrüster Lonsdale unsterstützt mit dem Fußballverein Roter Stern Leipzig in Deutschland bereits den zweiten Fußballclub mit dezidiert antirassistischer Positionierung. Schon im Februar begann man das Sponsoring des brandenburger Viertligisten SV Babelsberg 03.

Lonsdale willdem Verein die Anschaffung eines multifunktional einsetzbaren Kleinbusses ermöglichn. Bei Heimspielen soll er mit einer Lautsprecheranlage als Stadionansage dienen, bei Auswärtsspielen ist er als Mannschaftsbus einsetzbar. Ein eigener Stromgenerator macht den Bus vom Stromnetz unabhängig und lässt weitere Nutzungen zu – zum Beispiel bei antirassistischen Kundgebungen als Lautsprecherwagen.

Im Rahmen des Heimspiels Roter Stern Leipzig gegen SV Leipzig Ost am Sonntag, 16. März 2014 wird die Zusammenarbeit zum ersten Mal öffentlich sichtbar.

Die Marke Lonsdale wurde in den 1990er-Jahren als Erkennungszeichen von Neonazis missbraucht, man verstand die im Namen vorkommenden Buchstaben irrtümlicherweise als Verweis auf die NSDAP. Die Marke wehrte sich gegen derlei Vereinnahmungen und unterstütze zahlreiche antirassistische Initiativen und Projekte.



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