Neues Image für Lonsdale: Wie man eine Marke entnazifiziert

Werben & Verkaufen (27.03.2014)

„Wo Lonsdale drin ist bleibe ich draußen. Punkt.“ So reagierte ein Fan des SV Babelsberg 03, als der politisch linke Regionalligaverein kürzlich auf seiner Facebookseite die Sponsoringpartnerschaft mit der britischen Marke bekanntgab. „Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall“ wirbt die in den Neunzigern von Neonazis besetzte Marke nun auf der Bande im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion und stellt dem Verein T-Shirts zur Verfügung – für zunächst ein Jahr.

Nur wenige in der linken Szene empören sich darüber noch so wie dieser Fan. Längst überwiegt eine Haltung, die ein Fan stellvertretend für viele so ausdrückt: „Seit wann lässt man sich Marken von Nazis wegnehmen?“ Linke Aktivisten und schwule Subkulturen haben vor Jahren schon begonnen, Lonsdale zu tragen, um den Rechten den Spaß an der Marke zu verderben. Sie sollte wieder mit den kulturellen Codes aus ihren Anfängen in den 60er Jahren aufgeladen werden – als sie im Boxsport (Muhammad Ali) oder als coole Klamotte in multikulturellen Musikszenen wie Ska (Laurel Aitken) oder Northern Soul verankert war. Die meisten begrüßen also diese Partnerschaft.

Die Reaktion des Fans zeigt aber, wie sehr die einstige Vereinnahmung die Neonazi-Szene immer noch an der Marke klebt. Dabei wehrt sich Guert Schotsmann, Geschäftsführer des deutschen Lizenznehmers Punch GmbH, Neuss, schon seit Ende der 90er Jahre aktiv dagegen: Er stoppte die Belieferung rechtsradikaler Onlineshops, launchte die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ , sponserte den Kölner Christopher Street Day, unterstützt seit 2005 den Verein „Laut gegen Nazis“, ist Partner der Boxabteilung des FC St.Pauli. Neben SV Babelsberg 03 sponsert Lonsdale auch den linken Verein Roter Stern Leipzig.

Doch: „Die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke erweist sich noch als hartnäckig“, sagt Schotsmann im Interview mit W&V-Online (siehe unten). Immerhin: Die Nazis betrachteten Lonsdale nicht mehr als „ihre“ Marke. Darüber, welche Kunden Lonsdale kaufen, weiß das Unternehmen allerdings nichts Genaues. Die Umsatzverluste von 35 Prozent (Sachsen: 75 Prozent) im Jahr der Händlerbereinigung hat Lonsdale Deutschland längst aufgefangen. 2013 wurden im Einzelhandel zwischen 12,5 und 15 Millionen Euro umgesetzt, schätzt Schotsmann. Doch der Weg zum Mainstream ist noch weit: Auf einer „breiteren Basis“ gebe es noch eine „emotionale Barriere, die Sachen zu tragen“.

Das Sponsoring der linken Fußballclubs Roter Stern Leipzig und SV Babelsberg 03 ist Schotmanns bislang größter Coup. Es brachte ein Presseecho, dessen Mediawert die Marke nicht mit Geld hätte einkaufen können. Für Jürgen Häusler, Markenexperte und Chairman von Interbrand, hat Lonsdale alles richtig gemacht: „Die Marke schafft es seit über 50 Jahren in Subkulturen lebendig zu bleiben, zuletzt in der linken Szene. In der Nische hat sie sogar das Potenzial zur Mythenbildung.“

Im Interview mit W&V Online gibt Guert Schotsmann Auskunft, wo die Marke heute steht:

Herr Schotsmann, seit Jahren versucht Lonsdale, sich vom Image der „Nazimarke“ zu befreien, jetzt auch als Sponsor von linken Fußballvereinen. Wenn der angestrebte Imagewandel ein Marathonlauf ist, wo befinden Sie sich jetzt?

Etwa bei Kilometer 30. Der größte Teil der Strecke ist geschafft, das Ziel aber noch nicht erreicht. Erreicht haben wir inzwischen, dass Neonazis Lonsdale nicht mehr  als „ihre“ Marke betrachten. Das wurde auch in der Öffentlichkeit mit Sympathie wahrgenommen. Nun geht es darum, aus der politischen Sympathie eine emotionale Sympathie zu machen. Wir hoffen, dass man irgendwann nicht nur unsere Haltung gegen Rechts und Rassismus gut findet, sondern auch auf breiterer Basis Lust bekommt, unsere Sachen zu tragen.

Die Assoziation Marke mit dem Neonazimilieu ist allerdings noch nicht überwunden.

Es stimmt, dass die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke sich noch als hartnäckig erweist. Da gibt es oft eine emotionale Barriere. Das ist allerdings dort anders, wo Menschen näher mit den politischen, subkulturellen oder sportlichen Wurzeln der Marke vertraut sind.

Der Imageschaden ist das eine. Gab es denn einen überhaupt nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden für die Marke?

Ein Imageschaden geht  bei einer Traditionsmarke immer mit einem ein nachhaltiger wirtschaftlichen Schaden einher. Trotz der damals noch weitgehend unklaren lizenzrechtlichen Situation haben wir Ende der 90er Jahre Händlerlisten nach unerwünschten Kunden durchsucht und uns von ihnen getrennt. Der Umsatzverlust war deutlich spürbar: Der Gesamtumsatz von Lonsdale in Deutschland ging um etwa 35 Prozent zurück. Einige Teile Sachsens erwiesen sich dabei als Hochburgen: Hier reduzierte sich der Umsatz sogar um bis zu 75 Prozent. Seitdem haben sich die Umsätze mit der Marke Lonsdale in kleinen, aber kontinuierlichen Schritten erholt. Der Einzelhandel hat 2013 mit der Marke schätzungsweise 12,5 bis 15 Millionen Euro Umsatz beim Endverbraucher erzielt. Bei der Bekanntheit der Marke dürfte da allerdings noch Luft nach oben sein.

In einer Schulbroschüre heißt es, die rechte Szene habe mit Genugtuung wahrgenommen, dass das Problem der Trageverbote der Marke an Schulen obsolet geworden sei, dank des antifaschistischen Werbefeldzugs. Muss die Marke weiter mit Käufern aus der rechten Szene leben?

Die Broschüre stammt aus den frühen 2000er Jahren. Kann sein, dass damals irgendwo ein Neonazi noch gedacht hat, dass wir ihm durch antirassistische Arbeit das Problem des Markenverbots aus dem Weg räumen. Repräsentativer für die Reaktion des Milieus dürften die hörbaren Boykottaufrufe gewesen sein. Die Neonazis haben dann ja auch aus der ihrer Szene heraus eigene Marken gegründet. Lonsdale muss mittlerweile vermutlich auch nicht mehr als andere Marken mit Käufern aus der rechten Szene leben. In der Vergangenheit hätten wir uns schon manches Mal gewünscht, in einigen Kleiderschränken aufräumen zu können. Das geht natürlich nicht, und so haben wir den Hebel woanders angesetzt und die Marke seit vielen Jahren eindeutig so positioniert, dass Neonazis keine Lust mehr auf sie haben.

Lonsdale trennte sich erst etwa zehn Jahre nach der Vereinnahmung durch Neonazis von Händlern der rechten Szene. Hat die Marke möglicherweise zu spät mit seinen Gegenmaßnahmen begonnen?

Wir hätten gerne früher damit begonnen. Aber die lizenzrechtliche Lage war in den 1990er Jahren mehr als verworren. Lonsdale wurde in dieser Zeit über mehrere parallele Lizenzen und mehrere parallele Vertriebsstrukturen vertrieben. Das machte eine einheitliche Positionierung der Marke damals unmöglich. In dieser Zeit konnte sich faktisch jeder Lonsdale als Handelsware beschaffen. Die Situation besserte sich erst 2002, als Sports Direct (eine englische Sporthandelskette/d.Red.) die Markenrechte erwarb.

Die „Nazi-Vergangenheit“ holt die Marke immer wieder ein: Quelle wollte Lonsdale 2006 aus dem Sortiment nehmen, der Berliner Polizeipräsident 2009  das Tragen bei Zivilpolizisten verbieten. Hat die Marke das Potenzial irgendwann einmal  im Mainstream anzukommen?

Beide Aktionen traten einen Proteststurm los. Quelle und der Berliner Polizeipräsident nahmen  ihre Entscheidung daraufhin  sehr schnell zurück. Protestiert haben vor allem Personen und Initiativen aus der antirassistischen Arbeit. Wer um die sportlichen, subkulturellen und politischen Hintergründe der Marke weiß, der konnte Lonsdale schon immer verteidigen – und auch tragen. Dass wir solche Fürsprecher hatten, hat uns gezeigt, wo diese Marke verwurzelt ist. Das achten wir, das gehört zum Markenerbe und zum Markenwert. Das schließt natürlich nicht aus, dass Lonsdale irgendwann einmal  auch von breiteren Kreisen getragen werden kann. Die Reaktionen auf unsere jüngsten Kooperationen mit dem SV Babelsberg 03 und dem Roten Stern Leipzig haben jedenfalls gezeigt, dass viele die Marke nun als kreativen Akteur wahrnehmen, nicht als defensiven Erklärer einer misslichen Lage.

Die Szene hat Sie verstanden. Doch welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung um den Imagewandel weiter zu beschleunigen, etwa durch vermehrte Sponsoringaktivitäten?

Die Größe der Marke wird gelegentlich überschätzt. Der bekannte Markenname suggeriert höhere Erlöse als derzeit realisiert werden. Unser Sponsoringetat ist daher  begrenzt. In der Regel gilt nämlich, dass jeder Lizenznehmer sein Budget selbst generieren soll. Das zwingt uns zur Kreativität. So entstehen Ideen wie der multifunktionale Kleinbus für den Roten Stern Leipzig, der als Mannschaftsbus, Stadionlautsprecher und Lautsprecherwagen bei antirassistischen Demos gleichermaßen eingesetzt werden soll. So etwas geht nicht mit dem Scheckheft allein. Allerdings bekommen wir derzeit viele Anfragen für Partnerschaften, darunter durchaus namhafte Fußballvereine. Wir finden das alles im Moment sehr spannend

Interessierte sich der britische Markeninhaber Sports Direct für das Imageproblem in Deutschland und gibt es finanzielle Unterstützung?

Als Sports Direct 2002 die Markenrechte erwarb, gab es überhaupt erst einmal einen Ansprechpartner. In England weiß man inzwischen natürlich um die besonderen Probleme der Marke in Deutschland, die von uns oftmals auch besondere Maßnahmen verlangen. Hier haben wir markenstrategisch viel Rückhalt. Finanzielle Unterstützungen müsste man im Einzelfall besprechen, sie sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.