Neues Image für Lonsdale: Wie man eine Marke entnazifiziert

Werben & Verkaufen (27.03.2014)

„Wo Lonsdale drin ist bleibe ich draußen. Punkt.“ So reagierte ein Fan des SV Babelsberg 03, als der politisch linke Regionalligaverein kürzlich auf seiner Facebookseite die Sponsoringpartnerschaft mit der britischen Marke bekanntgab. „Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall“ wirbt die in den Neunzigern von Neonazis besetzte Marke nun auf der Bande im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion und stellt dem Verein T-Shirts zur Verfügung – für zunächst ein Jahr.

Nur wenige in der linken Szene empören sich darüber noch so wie dieser Fan. Längst überwiegt eine Haltung, die ein Fan stellvertretend für viele so ausdrückt: „Seit wann lässt man sich Marken von Nazis wegnehmen?“ Linke Aktivisten und schwule Subkulturen haben vor Jahren schon begonnen, Lonsdale zu tragen, um den Rechten den Spaß an der Marke zu verderben. Sie sollte wieder mit den kulturellen Codes aus ihren Anfängen in den 60er Jahren aufgeladen werden – als sie im Boxsport (Muhammad Ali) oder als coole Klamotte in multikulturellen Musikszenen wie Ska (Laurel Aitken) oder Northern Soul verankert war. Die meisten begrüßen also diese Partnerschaft.

Die Reaktion des Fans zeigt aber, wie sehr die einstige Vereinnahmung die Neonazi-Szene immer noch an der Marke klebt. Dabei wehrt sich Guert Schotsmann, Geschäftsführer des deutschen Lizenznehmers Punch GmbH, Neuss, schon seit Ende der 90er Jahre aktiv dagegen: Er stoppte die Belieferung rechtsradikaler Onlineshops, launchte die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ , sponserte den Kölner Christopher Street Day, unterstützt seit 2005 den Verein „Laut gegen Nazis“, ist Partner der Boxabteilung des FC St.Pauli. Neben SV Babelsberg 03 sponsert Lonsdale auch den linken Verein Roter Stern Leipzig.

Doch: „Die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke erweist sich noch als hartnäckig“, sagt Schotsmann im Interview mit W&V-Online (siehe unten). Immerhin: Die Nazis betrachteten Lonsdale nicht mehr als „ihre“ Marke. Darüber, welche Kunden Lonsdale kaufen, weiß das Unternehmen allerdings nichts Genaues. Die Umsatzverluste von 35 Prozent (Sachsen: 75 Prozent) im Jahr der Händlerbereinigung hat Lonsdale Deutschland längst aufgefangen. 2013 wurden im Einzelhandel zwischen 12,5 und 15 Millionen Euro umgesetzt, schätzt Schotsmann. Doch der Weg zum Mainstream ist noch weit: Auf einer „breiteren Basis“ gebe es noch eine „emotionale Barriere, die Sachen zu tragen“.

Das Sponsoring der linken Fußballclubs Roter Stern Leipzig und SV Babelsberg 03 ist Schotmanns bislang größter Coup. Es brachte ein Presseecho, dessen Mediawert die Marke nicht mit Geld hätte einkaufen können. Für Jürgen Häusler, Markenexperte und Chairman von Interbrand, hat Lonsdale alles richtig gemacht: „Die Marke schafft es seit über 50 Jahren in Subkulturen lebendig zu bleiben, zuletzt in der linken Szene. In der Nische hat sie sogar das Potenzial zur Mythenbildung.“

Im Interview mit W&V Online gibt Guert Schotsmann Auskunft, wo die Marke heute steht:

Herr Schotsmann, seit Jahren versucht Lonsdale, sich vom Image der „Nazimarke“ zu befreien, jetzt auch als Sponsor von linken Fußballvereinen. Wenn der angestrebte Imagewandel ein Marathonlauf ist, wo befinden Sie sich jetzt?

Etwa bei Kilometer 30. Der größte Teil der Strecke ist geschafft, das Ziel aber noch nicht erreicht. Erreicht haben wir inzwischen, dass Neonazis Lonsdale nicht mehr  als „ihre“ Marke betrachten. Das wurde auch in der Öffentlichkeit mit Sympathie wahrgenommen. Nun geht es darum, aus der politischen Sympathie eine emotionale Sympathie zu machen. Wir hoffen, dass man irgendwann nicht nur unsere Haltung gegen Rechts und Rassismus gut findet, sondern auch auf breiterer Basis Lust bekommt, unsere Sachen zu tragen.

Die Assoziation Marke mit dem Neonazimilieu ist allerdings noch nicht überwunden.

Es stimmt, dass die kollektive Erinnerung an den Missbrauch der Marke sich noch als hartnäckig erweist. Da gibt es oft eine emotionale Barriere. Das ist allerdings dort anders, wo Menschen näher mit den politischen, subkulturellen oder sportlichen Wurzeln der Marke vertraut sind.

Der Imageschaden ist das eine. Gab es denn einen überhaupt nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden für die Marke?

Ein Imageschaden geht  bei einer Traditionsmarke immer mit einem ein nachhaltiger wirtschaftlichen Schaden einher. Trotz der damals noch weitgehend unklaren lizenzrechtlichen Situation haben wir Ende der 90er Jahre Händlerlisten nach unerwünschten Kunden durchsucht und uns von ihnen getrennt. Der Umsatzverlust war deutlich spürbar: Der Gesamtumsatz von Lonsdale in Deutschland ging um etwa 35 Prozent zurück. Einige Teile Sachsens erwiesen sich dabei als Hochburgen: Hier reduzierte sich der Umsatz sogar um bis zu 75 Prozent. Seitdem haben sich die Umsätze mit der Marke Lonsdale in kleinen, aber kontinuierlichen Schritten erholt. Der Einzelhandel hat 2013 mit der Marke schätzungsweise 12,5 bis 15 Millionen Euro Umsatz beim Endverbraucher erzielt. Bei der Bekanntheit der Marke dürfte da allerdings noch Luft nach oben sein.

In einer Schulbroschüre heißt es, die rechte Szene habe mit Genugtuung wahrgenommen, dass das Problem der Trageverbote der Marke an Schulen obsolet geworden sei, dank des antifaschistischen Werbefeldzugs. Muss die Marke weiter mit Käufern aus der rechten Szene leben?

Die Broschüre stammt aus den frühen 2000er Jahren. Kann sein, dass damals irgendwo ein Neonazi noch gedacht hat, dass wir ihm durch antirassistische Arbeit das Problem des Markenverbots aus dem Weg räumen. Repräsentativer für die Reaktion des Milieus dürften die hörbaren Boykottaufrufe gewesen sein. Die Neonazis haben dann ja auch aus der ihrer Szene heraus eigene Marken gegründet. Lonsdale muss mittlerweile vermutlich auch nicht mehr als andere Marken mit Käufern aus der rechten Szene leben. In der Vergangenheit hätten wir uns schon manches Mal gewünscht, in einigen Kleiderschränken aufräumen zu können. Das geht natürlich nicht, und so haben wir den Hebel woanders angesetzt und die Marke seit vielen Jahren eindeutig so positioniert, dass Neonazis keine Lust mehr auf sie haben.

Lonsdale trennte sich erst etwa zehn Jahre nach der Vereinnahmung durch Neonazis von Händlern der rechten Szene. Hat die Marke möglicherweise zu spät mit seinen Gegenmaßnahmen begonnen?

Wir hätten gerne früher damit begonnen. Aber die lizenzrechtliche Lage war in den 1990er Jahren mehr als verworren. Lonsdale wurde in dieser Zeit über mehrere parallele Lizenzen und mehrere parallele Vertriebsstrukturen vertrieben. Das machte eine einheitliche Positionierung der Marke damals unmöglich. In dieser Zeit konnte sich faktisch jeder Lonsdale als Handelsware beschaffen. Die Situation besserte sich erst 2002, als Sports Direct (eine englische Sporthandelskette/d.Red.) die Markenrechte erwarb.

Die „Nazi-Vergangenheit“ holt die Marke immer wieder ein: Quelle wollte Lonsdale 2006 aus dem Sortiment nehmen, der Berliner Polizeipräsident 2009  das Tragen bei Zivilpolizisten verbieten. Hat die Marke das Potenzial irgendwann einmal  im Mainstream anzukommen?

Beide Aktionen traten einen Proteststurm los. Quelle und der Berliner Polizeipräsident nahmen  ihre Entscheidung daraufhin  sehr schnell zurück. Protestiert haben vor allem Personen und Initiativen aus der antirassistischen Arbeit. Wer um die sportlichen, subkulturellen und politischen Hintergründe der Marke weiß, der konnte Lonsdale schon immer verteidigen – und auch tragen. Dass wir solche Fürsprecher hatten, hat uns gezeigt, wo diese Marke verwurzelt ist. Das achten wir, das gehört zum Markenerbe und zum Markenwert. Das schließt natürlich nicht aus, dass Lonsdale irgendwann einmal  auch von breiteren Kreisen getragen werden kann. Die Reaktionen auf unsere jüngsten Kooperationen mit dem SV Babelsberg 03 und dem Roten Stern Leipzig haben jedenfalls gezeigt, dass viele die Marke nun als kreativen Akteur wahrnehmen, nicht als defensiven Erklärer einer misslichen Lage.

Die Szene hat Sie verstanden. Doch welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung um den Imagewandel weiter zu beschleunigen, etwa durch vermehrte Sponsoringaktivitäten?

Die Größe der Marke wird gelegentlich überschätzt. Der bekannte Markenname suggeriert höhere Erlöse als derzeit realisiert werden. Unser Sponsoringetat ist daher  begrenzt. In der Regel gilt nämlich, dass jeder Lizenznehmer sein Budget selbst generieren soll. Das zwingt uns zur Kreativität. So entstehen Ideen wie der multifunktionale Kleinbus für den Roten Stern Leipzig, der als Mannschaftsbus, Stadionlautsprecher und Lautsprecherwagen bei antirassistischen Demos gleichermaßen eingesetzt werden soll. So etwas geht nicht mit dem Scheckheft allein. Allerdings bekommen wir derzeit viele Anfragen für Partnerschaften, darunter durchaus namhafte Fußballvereine. Wir finden das alles im Moment sehr spannend

Interessierte sich der britische Markeninhaber Sports Direct für das Imageproblem in Deutschland und gibt es finanzielle Unterstützung?

Als Sports Direct 2002 die Markenrechte erwarb, gab es überhaupt erst einmal einen Ansprechpartner. In England weiß man inzwischen natürlich um die besonderen Probleme der Marke in Deutschland, die von uns oftmals auch besondere Maßnahmen verlangen. Hier haben wir markenstrategisch viel Rückhalt. Finanzielle Unterstützungen müsste man im Einzelfall besprechen, sie sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.



Lonsdale sponsert linke Klubs

fanzeit (21.03.2014)

Der Sportartikelhersteller Lonsdale London wird von manch einem noch immer mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht. Nun engagiert sich die Marke als Sponsor bei antirassistischen Klubs in Deutschland. Kann das funktionieren?

Zuweilen wird der Regionalligist SV Babelsberg 03 als “FC St. Pauli des Ostens” bezeichnet: Die Fanszene des Vereins ist stark von der Subkultur geprägt und gilt als überwiegend links, seit 20 Jahren gibt es ein antirassistisches Stadion-Fest und die Mannschaft spielt im Karl-Liebknecht-Stadion, das nach nach dem prominenten Marxisten und Mitstreiter Rosa Luxemburgs benannt ist. Vergangene Woche wurde nun bekannt, dass der Viertligist eine Kooperation mit der Sportmarke Lonsdale London eingegangen ist. Lonsdale? Ist das nicht diese Nazi-Marke? Und die sponsorn jetzt einen linken Fußballverein?

Um zu erfahren, warum Lonsdale überhaupt mit Rechtsextremisten in Verbindung gebracht wird, lohnt es sich, die Markengeschichte genauer zu betrachten: Gegründet 1960 als Boxsportartikelfirma in London, gewann Lonsdale in der damals noch jungen und unpolitischen, eher multikulturell geprägten Skinheadszene schnell an Beliebtheit. Später kam es dann zu einer teilweisen aber sehr öffentlichkeitswirksamen Vereinnahmung der Szene durch Rechtsextremisten. Das äußere Erscheinungsbild und darunter eben auch die Auswahl der Kleidungsmarken blieb jedoch erhalten. In Deutschland kam noch hinzu, dass unter geöffneten Bomberjacken häufig nur noch die Buchstaben “NSDA” zu sehen waren, womit Rechte offen und ungestraft mit der “NSDAP” kokettieren konnten. Um dieser ungewollten Vereinnahmung von rechts entgegenzuwirken, hat Lonsdale Anfang der 90er Jahre allen auffindbaren rechtsextremen Händlern die Zusammenarbeit gekündigt. Darüber hinaus engagiert sich die Marke bei antirassistischen Projekten, wie “Laut gegen Nazis” und sponsorte 2005 sogar den Christopher-Street-Day in Köln.

“Lonsdale und Babelsberg sind sich sehr ähnlich”

Dieses Engagement war es auch, das den Verein auf die Idee brachte, bei Lonsdale für eine Partnerschaft anzufragen. Laut Marcel Moldenhauer, Pressesprecher des Regionalligisten, sind sich Lonsdale und Babelsberg ”von der inhaltlichen Ausrichtung vor allem was die Arbeit in Richtung Antirassismus angeht, sehr ähnlich.” So lautet der Slogan mit dem Lonsdale ab sofort im Zuge der Zusammenarbeit im Karl-Liebknecht-Stadion auf einer Bande wirbt: “Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall.” Im Gegenzug erhält der Verein Textilien, die zurzeit noch gestaltet werden zum freien Verkauf. Weiterer Nutznießer der Kooperation ist der kubanische Fußballverein Mantua 62, der schon seit einigen Jahren von den Anhängern des Regionalligisten gefördert wird und dem nun ein Teil der Einnahmen zufließen soll.

Babelsberg, St. Pauli, Roter Stern Leipzig

Der erwartete Gewinn durch das Sponsoring liegt nach Vereinsangaben im fünfstelligen Bereich. Doch wenn es nach den Initiatoren geht, ist dies ohnehin nur der Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit wie Geurt Schotsman, Geschäftsführer der Punch-Gmbh, Lizenznehmerin von Lonsdale London in Deutschland, betont: “Wir sind offen für kreative Ideen. Wir wollen aber nicht zu schnell voranschreiten, sondern die Zusammenarbeit Schritt für Schritt  intensivieren, etwa im Merchandising-Bereich.” Eine generelle Ausweitung des Sponsorings im deutschen Fußball scheint hingegen derzeit nicht zur Debatte zu stehen: “Erstmal wollen wir uns auf den Teil des Fußballs konzentrieren, der deutlich antirassistisch ist”, sagt Schotsman. So sponsort das Unternehmen neben der Boxabteilung des FC St. Pauli seit kurzem auch den antifaschistische Leipziger Stadtligisten Roter Stern Leipzig. Zusätzlich zur Trikotwerbung ist auch ein von Lonsdale gestellter Kleinbus Gegenstand der Partnerschaft, der ausdrücklich auch als Lautsprecherwagen bei Demonstrationen eingesetzt werden darf. Während Lonsdale in England auch bereits als offizieller Ausrüster von Fußballmannschaften aufgetreten ist, ist dies in Babelsberg zumindest momentan offenbar kein Thema, da der Verein noch zwei Jahre an den aktuellen Ausrüster Hummel gebunden ist.

“Sicher sind wir Lonsdale bei der Imagebildung behilflich”

Die Verantwortlichen in Babelsberg empfinden die Kooperation als Win-win-Situation. “Bei uns ist seit vielen Jahren die Subkultur im Stadion beheimatet und so ist es ja bei Lonsdale auch. Am Ende sind wir Lonsdale in puncto Imagebildung sicherlich behilflich, es ist aber auch genauso andersherum: Wir finden unser Zielpublikum über Lonsdale deutschlandweit”, sagt Moldenhauer. Doch wie sehen die Fans den neuen Sponsor?

Im Internet überwiegen die positiven Reaktionen. Einige wünschen sich sogar Lonsdale als Hauptsponsor. Jedoch gibt es auch einige kritische Stimmen. User ruuud_van_da_maiklokjes merkt etwa im unabhängigen SV-Babelsberg-03-Fanforum an: “Sorry Leute, zehn Jahre liefen die größten Vollspacken mit Lonsdale rum, und nu is wieder alles gut? Für mich wäre da eine Umfirmierung angezeigt gewesen.” Und dass die Marke Lonsdale bei manch einem noch immer in der rechten Ecke steht, zeigt folgender facebook-Kommentar von Htebasile Airam Einahpets: “Ein, wie ich bisher immer dachte, eher linker Verein, der eine Partnerschaft mit der Lieblings-Nazifirma eingeht?! Hmm… fragwürdig.”



Lonsdale sponsort Fußballverein Roter Stern Leipzig

derStandard.at (12.03.2014)

Leipziger Fußballverein vertritt dezidiert antirassistische Position – Lonsdale wurde in den 1990er-Jahren von Neonazis missbraucht.

Leipzig – Der englische Boxsportausrüster Lonsdale unsterstützt mit dem Fußballverein Roter Stern Leipzig in Deutschland bereits den zweiten Fußballclub mit dezidiert antirassistischer Positionierung. Schon im Februar begann man das Sponsoring des brandenburger Viertligisten SV Babelsberg 03.

Lonsdale willdem Verein die Anschaffung eines multifunktional einsetzbaren Kleinbusses ermöglichn. Bei Heimspielen soll er mit einer Lautsprecheranlage als Stadionansage dienen, bei Auswärtsspielen ist er als Mannschaftsbus einsetzbar. Ein eigener Stromgenerator macht den Bus vom Stromnetz unabhängig und lässt weitere Nutzungen zu – zum Beispiel bei antirassistischen Kundgebungen als Lautsprecherwagen.

Im Rahmen des Heimspiels Roter Stern Leipzig gegen SV Leipzig Ost am Sonntag, 16. März 2014 wird die Zusammenarbeit zum ersten Mal öffentlich sichtbar.

Die Marke Lonsdale wurde in den 1990er-Jahren als Erkennungszeichen von Neonazis missbraucht, man verstand die im Namen vorkommenden Buchstaben irrtümlicherweise als Verweis auf die NSDAP. Die Marke wehrte sich gegen derlei Vereinnahmungen und unterstütze zahlreiche antirassistische Initiativen und Projekte.



Wie Lonsdale sich gegen das Nazi-Image wehrt

Berliner Zeitung (12.03.2014)

POTSDAM – Trotz zahlreicher Anti-Rassismus-Kampagnen wird Lonsdale sein Neonazi-Image nur schwer los. Nun engagieren sich die Engländer bei deutschen Fußballclubs, die sich offensiv gegen Ausländerhass zur Wehr setzen – so wie der SV Babelsberg 03.

Wohl nur ganz selten hat die Nachricht über einen neuen Sponsor bei einem Fußball-Viertligisten für so viel Aufsehen gesorgt, wie derzeit beim SV Babelsberg 03. Dabei steigt weder ein arabischer Öl-Scheich noch ein österreichischer Brause-Gigant bei den Potsdamern ein, sondern eine britische Bekleidungsmarke – und das auch vorerst nur in einem recht kleinen Rahmen. Doch der neue Sponsor heißt Lonsdale.

Lonsdale? Richtig, da war doch was. In den 90er-Jahren gehörten T-Shirts, Polos und Pullover der Marke zur Standard-Ausstattung in der rechtsextremen Szene. Die Neonazis trugen die Kleidung mit dem großen Lonsdale-Schriftzug auf der Brust besonders gern, weil sich damit so gut provozieren ließ: Je nachdem, wie weit sie den Reißverschluss ihrer Bomberjacken offen ließen, war auf der Brust die Buchstabenkombination NS oder NSDA zu lesen – ein Hinweis auf den Nationalsozialismus und Hitlers NSDAP. Schon zuvor war die Marke in England bei Skinheads sehr beliebt. Auch als Teile dieser Subkultur nach rechtsaußen abdrifteten, nahmen sie die Marke einfach mit.

Anders als bei der im Landkreis Dahme-Spreewald ansässigen Marke Thor Steinar störten sich die Briten an ihrer Beliebtheit bei Neonazis. „Unsere Marke ist gekapert worden“, sagt Firmensprecher Ralf Elfering. „Ende der 90er Jahre haben wir konsequent unsere Händlerlisten durchforstet und uns von solchen mit rechtsextremistischem Hintergrund getrennt.“ Umsatzeinbußen von bundesweit 35 Prozent nahmen die Briten in Kauf. „Freiwillig und gern“, wie Elfering betont.

Seither versucht die Firma sein Negativimage loszuwerden und sich neue Käuferschichten zu erschließen. Seit 2005 unterstützt sie die Initiative „Laut gegen Nazis“ und sponserte im gleichen Jahr den Kölner Christopher-Street-Day. Eine Werbekampagne lief unter dem Slogan „Lonsdale loves all colours“ – Lonsdale liebt alle Farben. Auch die Boxabteilung des FC St. Pauli bekam Geld. Immerhin trug schon Boxlegende Muhammed Ali Lonsdale. Trotzdem haben viele beim Namen Lonsdale auch heute nur eine Assoziation: Neonazis. Deshalb versucht es die Firma nun mit König Fußball – dem Lieblingssport der Deutschen.

Schon der Namensgeber der Marke, der Earl of Lonsdale, soll ein großer Fußball-Liebhaber gewesen sein: In der 1930er-Jahren war er Präsident von Arsenal London. Zudem war Lonsdale einst Trikotsponsor des englischen Erstligisten Blackburn Rovers.

In Deutschland haben sich die Lonsdale-Verantwortlichen „linke Vereine“ ausgesucht, die sich offen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren. So wie Babelsberg 03. Denn die Potsdamer sehen sich nicht nur als Sportverein. „Unser Verein steht für Fußball mit Haltung“, sagt Sprecher Thoralf Höntze. Gemeint ist das aktive Bekenntnis für Toleranz und gegen Rassismus. „Für uns ist Lonsdale daher schon lange eine ganz normale Marke“, sagt er.

Das Sponsoring beschränkt sich vorerst auf Fanartikel: Lonsdale schenkt dem Verein im Sommer 1000 T-Shirts mit eigenem Babelsberg-Design. Aber schon jetzt können die Fans T-Shirts kaufen mit der Aufschrift „Lonsdale against racism & hate“ – Lonsdale gegen Rassismus und Hass. Die Einnahmen geben die Babelsberger zum Teil weiter an ihren kubanischen Partnerverein „Mantua 62“. Im Gegenzug dürfen die Engländer im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion werben.

Die Reaktionen der Fans fallen meist positiv aus, obwohl sich noch nicht alle mit dem neuen Sponsor anfreunden können. „Sorry Leute, 10 Jahre liefen die größten Vollspacken mit Lonsdale rum, und nun ist alles wieder gut?“, schreibt jemand im Babelsberg-Forum. Andere Fans hoffen dagegen, dass die T-Shirts nur der Anfang sind: „Ich find’s schade, dass Lonsdale nicht unser Brustsponsor wird“, heißt es.

Lonsdale-Sprecher Elfering hat von diesem Wunsch gehört, hält sich aber bedeckt: „Lassen wir das Pflänzchen langsam wachsen.“



Lonsdale spielt über links

Süddeutsche Zeitung (11.03.2014)

Der britische Sportartikelhersteller Lonsdale war einst bei Neonazis beliebt – heute sponsert die Firma zwei deutsche Fußballvereine vom linken Rand. Der Deal zeigt, wie die Marke versucht, ihr Image zu wandeln.

Was Lonsdale gemacht hat, würde ein Fußballkommentator wohl als Flügelwechsel bezeichnen. Ein schöner langer Diagonalpass aus dem Fußgelenk. Nur war es nicht ganz so einfach für den britischen Sportartikelhersteller, von der rechten Flanke auf die linke zu gelangen. Das Unternehmen musste lange kämpfen für seinen Imagewechsel, auch einige Rückpässe spielen. Dass dieser Kampf erfolgreich war, zeigen die vielen positiven Reaktionen auf die neueste Marketingstrategie von Lonsdale. Dass der Kampf noch nicht beendet ist, das lässt sich allerdings ebenfalls an den Reaktionen erkennen, den wenigen, dafür aber umso erschrockeneren.

Lonsdale, einst Ausrüster der Boxer Muhammed Ali und Lennox Lewis, arbeitet nun mit den beiden deutschen Fußballvereinen SV Babelsberg (Potsdam) und Roter Stern Leipzig zusammen. Die Reaktionen in Leipzig auf das Engagement seien „sehr positiv“ gewesen, versichert ein Vereinssprecher. Und auch bei Babelsberg habe es kaum Widerstand gegeben, sagt Fanvertreter Jörg Engelbrecht, nur „vereinzelte Stimmen“ hätten den neuen Sponsor mit Nazis in Verbindung gebracht.

Auf der Facebookseite des Vereins sind solche Stimmen zu finden. „Werden die Trikotfarben jetzt braun?“, fragt einer. Ein anderer wundert sich: „Ein eher linker Verein, der eine Partnerschaft mit der Lieblingsnazifirma eingeht?!“ Und genau das ist das Besondere an dieser Kooperation. Sportlich sind beide Vereine überschaubar erfolgreich: Babelsberg spielt in der vierten Liga gegen den Abstieg, die Mannschaft von Roter Stern kickt in der Leipziger Stadtliga gegen SV Lokomotive Engelsdorf und den SSV Stötteritz.

Doch beide Klubs verorten sich ganz links im politischen Spektrum, was sie offensiv nach außen tragen, und was sie interessant macht für Sponsoren. Zumindest für solche, die von diesem Image profitieren wollen. Sponsoren mit Imageproblem. Sponsoren wie Lonsdale.

Ursprung in der britischen Skinhead-Bewegung

Was viele wissen: Neonazis haben die Klamotten der Firma früher gerne getragen. Was einige bis heute nicht wissen: Lonsdale wollte nicht, dass Neonazis die Klamotten tragen – und sie tun es heute auch kaum noch. Die Marke hat ihren Ursprung in der britischen Subkultur: Die Skinheadbewegung, lange Jahre weder rassistisch noch rechtsextrem, entdeckte die Marke in den Sechziger und Siebziger Jahren für sich. Als sich später Rechtsradikale in die Szene mischten, übernahmen diese nicht nur die Frisuren, sondern auch die Kleidung. An ihnen wiederum orientierten sich Neonazis in Deutschland.

Ein möglicher Grund für die Popularität von Lonsdale in der rechten Szene: Bei halbgeöffneter Jacke sind auf dem Shirt darunter nur die Buchstaben NSDA zu sehen, in der Logik der Nazi-Symbolik fehlt nur noch das P. Ralf Elfering, Deutschlandsprecher von Lonsdale, zweifelt an dieser Erklärung. Schließlich hätten andere Marken die gleichen Probleme gehabt, auch ohne ungünstige Buchstabenkombinationen. In der Tat hatte nicht nur Lonsdale Schwierigkeiten mit glatzköpfiger Kundschaft.

Das aufgenähte „N“ auf den Schuhen des US-Herstellers New Balance beispielsweise war es, das der rechten Szene gefiel. Lange Zeit hat der Konzern die Probleme ignoriert. Dann war in der Bild-Zeitung ein großes Foto zu sehen: Glatze, Hakenkreuz-Tattoo auf der Wade, New-Balance-Schuhe an den Füßen. 2002 war das. Der Konzern musste reagieren, schmiss kritische Läden aus der Lieferkette, engagierte Promis wie MTV-Moderator Patrice Bouédibéla als Markenbotschafter. Mit Erfolg: Die Firma hat den Imagewandel geschafft, fast ohne Kratzer. Hipster laufen heute bedenkenlos mit New-Balance-Tretern durch die Straßen von Berlin, München und Hamburg. Bis 2015 will der Konzern an Puma vorbeiziehen und in die Top Drei der Sportartikelhersteller zu Adidas und Nike aufrücken.

Fred Perry hingegen erging es ähnlich wie Lonsdale. Die britische Modefirma mit dem Lorbeerkranz als Markenzeichen distanzierte sich zwar von der rechten Szene, Promis wie Amy Winehouse und Jay-Z trugen die Polo-Shirts aus England. Doch ein brauner Schleier blieb am Image der Marke haften. Erst 2009 erstellte der Berliner Polizeichef Dieter Glietsch eine Liste mit Marken, die seine Beamten nicht tragen dürfen, weil sie ein Bekenntnis zu rechtem Gedankengut seien. Darauf: Fred Perry und Lonsdale. Die Firmen protestierten und Glietsch nahm seine Liste zurück.

Woher das negative Image heute noch kommt? Lonsdale-Sprecher Elfering erklärt das mit „intuitiven Berührungsängsten“ und „erstaunlich viel Halbwissen“. Ein Problem sei das Internet: „Wenn man die Marke googelt, hat man sofort Nazigeschichten auf dem Schirm – auch heute noch.“



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