Stellungnahme zum Urteil des NOFV-Sportgerichts


Allgemeine Betrachtung

Der SV Babelsberg 03 ist wegen sogenanntem „unsportlichen Verhalten der Anhänger“ beim Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus am 28. April 2017 vom Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) zu einer Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro verurteilt worden. Zudem wurde ein Meisterschaftsspiel in der Regionalliga Nordost unter Ausschluss der Öffentlichkeit angedroht, sollten Anhänger des Vereins innerhalb einer Bewährungsfrist bis 31.12. 2017 erneut gegen Vorschriften und Regeln des Verbandes verstoßen – insbesondere gegen das Verbot, bei Spielen pyrotechnische Erzeugnisse abzubrennen.

Dass die Ereignisse um das Regionalligaspiel vom 28.04. 2017 – Abrennen von Pyrotechnik, Betreten des Platzes durch Fans während des Spiels – durch das Sportgericht des NOFV behandelt werden mussten und die erheblichen Verstöße gegen Ordnung und Sicherheit geahndet werden sollen, ist für den Vorstand des SV Babelsberg 03 nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar sind die Höhe des Strafmaßes und die zugehörige Begründung. Die Höhe der auferlegten Strafe und die Begründung sind für den SV Babelsberg 03 skandalös, unverständlich und unakzeptabel. Daher hat der Verein bereits Berufung gegen das Urteil des Sportgerichts eingelegt.

Der SVB hatte bereits in seiner Stellungnahme unmittelbar nach dem Spiel deutlich gemacht, dass im Vorfeld des Spiels mit allen Beteiligten – Vereine, Verbände, Ordnungs- und Sicherheitsbehörden – Sicherheitsvorkehrungen bis an die Grenzen des Machbaren vereinbart und im Vorfeld des Spiels als auch am Spieltag selbst umgesetzt wurden. Dabei wurde nicht nur anlassbezogen am Spieltag agiert, sondern bereits im Vorfeld auch mit dem Gastverein aus Cottbus und den genannten Institutionen kooperiert und an Zuschauer der Heim- und Gastmannschaft appelliert, Sicherheit und Ordnung nicht zu beeinträchtigen.

Dennoch wurde das Fußballspiel offenkundig bewusst und gezielt vorbereitet als Bühne rechtsextremer Störer und Krawallmacher aus Cottbus bzw. dem Umfeld der Fanszene des Gastvereins genutzt. Diese Tatsache haben im Nachhinein Polizei, Sicherheitsexperten sowie Recherchen verschiedener Medien bestätigt. Dieser besondere und in Babelsberg jedenfalls bisher nicht vergleichbar aufgetretene Umstand des offenkundig bewussten Störens der Veranstaltung durch Zuschauer des Gastvereins wurde in der Urteilsfindung in keiner Weise berücksichtigt.

Zwar wird dem SVB durch das Sportgericht ein ernsthaftes Bemühen attestiert, den erforderlichen Präventiv- und Sicherheitsmaßnahmen gerecht zu werden. Das mit dem Urteil verkündete Strafmaß steht jedoch in keinem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit eines Viertligavereins und seiner ehrenamtlichen Verantwortungsträger. Das Strafmaß ist vielmehr gleichgesetzt mit Strafen für Bundesliga-Vereine. „Die absolute Summe unserer Strafe steht in keinem Verhältnis zu anderen Strafen, die in jüngster Zeit in weitaus höheren und damit professionelleren Ligen verhängt wurden“, kommentiert der SVB-Vorstandsvorsitzende Archibald Horlitz.

Jüngste Beispiele zum Vergleich:

  • 6.000 Euro Strafe für den SC Freiburg wegen gezündeter Rauchbomben im Bundesligaspiel gegen den FC Ingolstadt am 13. Mai.
  • 4.000 Euro Strafe für FC Ingolstadt wegen Zündens von Leuchtkörpern im Spiel gegen Eintracht Frankfurt am 05. April
  • 8.000 Euro für Darmstadt 98 wegen Zündens mehrerer bengalischer Feuer und Rauchbomben im Spiel bei Borussia Mönchengladbach am 20. Mai

Auf den enormen Unterschied bei Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen hat in Folge der Regionalligapartie vom 28. April der Potsdamer Soziologe und Experte im Wissenschaftsrat der Deutschen Fußballliga, Andreas Klose, maßgeblich hingewiesen: „In den höheren Ligen nutzen die Vereine ein inzwischen etabliertes professionelles Verbundsystem aller an der Spieltagsvorbereitung und –durchführung beteiligten Akteure … Aber hier reden wir von hauptamtlich tätigen Verantwortlichen, was mit Regionalligaverhältnissen nicht vergleichbar ist … Der enorme Aufwand der Bundesliga-Vereine ist in den unteren Ligen allein aus finanziellen Gründen kaum vorstellbar.“ (Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 12. Mai 2017). Dabei können selbst die professionellen Sicherheits- und Ordnungsdienste des Deutschen Fußball Bundes das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion nicht verhindern, wie erst unlängst das DFB Pokalendspiel mit einer massiven „Pyroshow“ der Fans aus Dortmund und Frankfurt gezeigt hat. Und hier ist der DFB Veranstalter und verantwortlich für das Sicherheitskonzept.

Horlitz: „Bei ungleichen Bedingungen kann es auch nicht die gleichen Strafen geben!“

Zudem sieht der SVB-Vorsitzende ein Ungleichgewicht zwischen der Babelsberger und Cottbuser Strafe. Laut Stellungnahme des FC Energie wurde eine (Teil)strafe von 6.000 Euro für Vergehen ausgesprochen in Meuselwitz (Beschädigung Treppen- und Zaunanlage), Leipzig (Feuerzeugwurf) und Bautzen (Pyrotechnik). „Wenn man allein dies in Relation zu den 7.000 Euro Strafe gegen uns sieht, wird schon ein krasses Missverhältnis deutlich.“

In seiner Urteilsbegründung sieht das Sportgericht „Vereine und Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich.“ Hier stellt sich die Frage, wie der NOFV seine Fußballvereine bei dieser Aufgabe unterstützt und welche Lösungsansätze das Sportgericht des Verbandes für Problemsituationen und Herausforderungen mit rassistisch und extremistisch motivierten Fanszenen anbietet. Drastische Geldstrafen für die Vereine jedenfalls lösen das Problem nicht. Und sollte die 10.000-Euro-Strafe, mit der das Gericht den FC Energie für die Vorfälle in Babelsberg belegt hat, die rechtsextremen Auswüchse im Cottbuser Fanblock ahnden, stehen weder Strafe noch Strafmaß für den SVB in einem nachvollziehbaren Verhältnis. Doch beruft sich das Sportgericht sowohl in der Urteilsbegründung für den SVB als auch für den FC Energie u.a. auf §31 (1c) …in Verbindung mit §2 (1a) der NOFV-Rechts- und Verfahrensordnung: „Ahndung aller Formen unsportlichen Verhaltens im unmittelbaren Zusammenhang mit Fußballspielen sowie fremdenfeindlicher, rassistischer, politisch extremistischer, anstößiger und/oder beleidigender Handlungen in Wort und/oder Gestik sowie Mimik, in Beschimpfungen, Schmähungen, Drohungen, Tätlichkeiten und als Verstöße gegen das Verbot von Doping.“ Ein derartiges Fehlverhalten ist der Fan-Klientel des SVB nun alles andere als anzulasten. Nahezu unglaublich, dass das Sportgericht in diesem Zusammenhang zwar den Ruf eines SVB-Fans Richtung Cottbuser Fanblock – „Nazischweine raus“ als vermeintlichen Beweis zitiert, in der Cottbuser Urteilsbegründung die nachweislich verfassungswidrigen Vergehen wie das Zeigen des „Hitlergrußes“ nicht einmal erwähnt.

Darüber hinaus teilt der SVB-Vorstand die Auffassung der Vereinsführung des FC Energie Cottbus, dass durch die Höhe der zu zahlenden Strafe dem Verein finanziell die Hände gebunden werden, eben für genau solche Maßnahmen, Sicherheitsvorkehrungen und Fanprojekte zu sorgen, die Verfehlungen verhindern.

Rechtliche Betrachtung

Zusammenfassend ist für den SV Babelsberg 03 folgendes festzuhalten: Das Sportgerichtsurteil vom 19.06.2017 zum Spiel Babelsberg 03 vs. Energie Cottbus ist inhaltlich fragwürdig und entspricht formal keinen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Unter Bezugnahme auf frühere Verfahren vor dem Sportgericht ist hinsichtlich des Tatvorwurfs des „unsportlichen Verhaltens der Anhänger“ in Verbindung mit dem Abbrennen von Pyrotechnik folgendes festzuhalten:

Der Tatvorwurf des „unsportlichen Verhaltens der Anhänger“ wird in den Feststellungen zur Begründung des Urteils nicht differenziert ausgeführt. Der Haftungstatbestand des „unsportlichen Verhaltens von Anhängern“ ist diffus. Es ist weder in den Verbandsregeln noch sonst festgelegt, wann eine Person als „Anhänger“ einzustufen ist und was mit unsportlichem Anhängerverhalten eigentlich meint.

Die Ausführungen unter Nr. 3 der Urteilsgründe zu den Gefahren und dem Schutzbedürfnis gegen pyrotechnische Gegenstände teilt der SV Babelsberg 03 uneingeschränkt. Der SV Babelsberg 03 unternimmt sämtliche Schutz- und Vorsorgemaßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Verbot von Pyrotechnik stehen. Der Verein trägt die zivil- und strafrechtliche Verantwortung für den Eintritt von Personen- und Sachschäden jeder Art und die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken. Jeder „Zwischenfall“ ist also ein persönliches und ökonomisches Risiko, das allein der Verein trägt, nicht aber auch nur ansatzweise der Verband. Geldzahlungspflichten, denen der Verein wegen der verschuldensunabhängigen Haftung nicht entgehen kann, darf es bei dieser Risikoverteilung nicht geben.

Die unter Nr. 4 der Gründe näher umschriebene „Präventivsanktion“ gegen den Verein, die keinerlei rechtlich fassbare Voraussetzungen und Grenzen kennt, ist nicht nur ein Widerspruch in sich, sondern offensichtlich rechtsstaatswidrig. Der Rekurs auf eine langjährige verbandsrechtliche Praxis legitimiert diese Praxis nicht und führt ebenso wenig weiter wie die Bezugnahme auf Entscheide von parteiischen und wirtschaftlich von den jeweiligen Fußballverbänden abhängigen Schiedsgerichten.

Der gerichtliche Hinweis auf die Regressmöglichkeit des Vereins bei einzelnen Fans übergeht, dass der Regressanspruch des Vereins nur nach staatlich‐rechtlichen Haftungsnormen, also insbesondere auf Grundlage von Verursachungs- und Verschuldensnachweis möglich ist. Wenn sich der NOFV seinerseits auch an diese Voraussetzungen halten würde, wäre dem Verein der Regressweg gegen den Störer zumutbar. Die verschuldens‐ und verursachungsunabhängige Verhängung von Zwangsgeldern kann also gerade nicht im Regressweg wieder hereingeholt werden. Das Regressrisiko (Anwalts- und Prozesskosten, Ausfallrisiko beim Regressschuldner) trägt allein der Verein.

Die Strafzahlung kann sich auch nicht auf den zivilrechtlich anerkannten Präventionsgedanken stützen. Präventionserfolge haben Verband oder die Praxis in der Vergangenheit nicht nachgewiesen. Sie werden nicht einmal behauptet. Auch sprechen die bisherigen gegen den Verein verhängten Geldsanktionen gegen die Präventionswirkung. Sie haben offenbar nichts verändert. In der Tat ist es abwegig, das massive Geldsanktionen gegen den Verein, „Zwischenfällen“ vorbeugen würden. Vielmehr verbucht der NOFV in den vergangenen Jahren stetig wachsende Einnahmen aus den immer schneller und immer öfter verhängten Geldsanktionen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die unter Nr. 4 begründete Sanktionsschärfung als willkürlich zu betrachten. Danach werden die bereits früher verhängten Geldsanktionen erneut sanktionsschärfend berücksichtigt, obgleich ja auch diese früher abgeurteilten Zwischenfälle bereits verschuldens- und verursachungsunabhängig verhängt wurden. Durch die in Aussicht gestellte Verhängung von Geisterspielen soll an der Sanktionsschraube offenbar weiter gedreht werden. Das ist treuwidrig, willkürlich und rechtsstaatswidrig.

Bei dem § 36 Nr. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des NOFV handelt es sich um einen zivilrechtlichen Sanktionsmechanismus, dessen Zulässigkeit und Rechtsstaatlichkeit von keinem staatlichen Gericht geprüft wurde. Dies entbindet das Verbandsgericht nicht davon, zumindest ein Mindestmaß an rechtsstaatlichen Standards, Fairness und Verfahrensgerechtigkeit zu gewährleisten.